Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht vor dem BVerfG - JETZT noch die alte Gesetzeslage nutzen!

Das gültige Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht überprüft. Obwohl der Ausgang dieser Überprüfung vollkommen offen ist, wird befürchtet, dass das gesamte bzw. wichtige Teil des ErbStG für unwirksam erklärt werden. Bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgericht werden jedoch 2 bis 3 Jahre vergehen. Allerdings ist es auch denkbar, dass der Gesetzgeber dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorgreift und das ErbStG (zu Lasten der Steuerpflichtigen) ändert. Eine solche Änderung wird wahrscheinlich jedoch nicht mehr vor den Bundestagswahlen im Herbst 2013 erfolgen. Die aufgezeigten Zeitfenster sollte man also nutzen, um auf Basis des jetzt noch gültigen Gesetzes vorteilhafte Steuergestaltungen vorzunehmen!


Hintergrund:

Bereits im Jahre 2006 hatte das Bundesverfassungsgericht die ungleiche Bewertung von verschiedenen Vermögensmassen innerhalb einer Erbschaft für verfassungswidrig gehalten. Der Gesetzgeber war vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert worden, ein verfassungskonformes Erbschaftsteuergesetz vorzulegen.

 

Das daraufhin erlassene neue Erbschaftsteuergesetz hatte konzeptionell zunächst die Erfassung aller Vermögensgegenstände mit den Verkehrswerten, so die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes, richtig aufgegriffen. In dem Gesetz waren weiterhin Befreiungen für bestimmtes Betriebsvermögen und für das weiterhin bewohnte Eigenheim vorgesehen.

 

 

 

 

Es gab insgesamt zusätzlich viele Umgehungsmöglichkeiten für die Erbschaftsteuer unter Ausnutzung dieser Befreiungsmöglichkeiten. Letztlich konnte man bei richtiger Planung jedes beliebige Vermögen erbschaftsteuerfrei auf die nächste Generation übertragen. Insbesondere einzelne Gestaltungen wie zum Beispiel die Cash-GmbH hatten vielfältige Kritik ausgelöst. Die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuer wurde in der Literatur stark angezweifelt. Auch die Rechtsprechung hat die Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftssteuer angezweifelt. Der Bundesfinanzhof, unser höchstes Steuergericht, hält nicht nur einzelne Vorschriften, sondern das gesamte Erbschaftsteuergesetz wegen Verletzung des Gleichheitssatzes für verfassungswidrig und legte die Frage dem Bundesverfassungsgericht vor. Der Bundesfinanzhof hat bereits in dem Beschluss vom 05.10.2011, II R 9/11 (BStBl II 2012, 29), verfassungsrechtliche Zweifel geäußert und das BMF zum Verfahrensbeitritt aufgefordert. In dem aktuellen Vorlagebeschluss vertritt der Bundesfinanzhof nunmehr die Auffassung, dass das neue ErbStG insgesamt verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht genügt. Der Nebenkriegsschauplatz der Frage, inwieweit Steuerklasse zwei und Steuerklasse drei die richtige Einordnung vornehmen, ist dabei eigentlich unwichtig. Die tragende Begründung ist vielmehr, dass aufgrund der weitgehenden oder vollständigen Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften die Steuerbemessungsgrundlage gleichheitswidrig ausgestaltet ist. Die umfangreiche Begünstigung von Unternehmen ist nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt und stellt damit eine verfassungswidrige Überprivilegierung dar. Denn die Regelungen (§§ 13a und 13b ErbStG) ermöglichen es, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfüllt, in unbegrenzter Höhe ohne oder nur mit geringer Steuerbelastung zu erwerben. Dies führt zu einer gleichheitswidrigen Fehlbesteuerung, die im Zusammenhang mit den Tarifnormen alle wesentlichen Teilbereiche des ErbStG erfasst. Denn die Steuerbefreiung wird zur Regel und die tatsächliche Besteuerung zur Ausnahme. Dadurch werden diejenigen, die die Vergünstigungen nicht beanspruchen können, in ihrem Recht auf eine gleichmäßige, der Leistungsfähigkeit entsprechende und folgerichtige Besteuerung verletzt.

 

Zusammenfassend muss man feststellen, dass die Frage der Verfassungswidrigkeit über die Tarifnorm hinaus dem Bundesverfassungsgericht insgesamt vorgelegt wurde, die Begründungen des Bundesfinanzhofs zielen zwar auf einzelne Gestaltungsmodelle, aber die Vorlage betrifft die Erbschaftsteuer insgesamt.

 

In dieser Situation stellt sich für den Berater die Frage der Behandlung in der laufenden Beratung. Für die aktuellen Sterbefälle diskutierte man zunächst, dass die Erbschaftsteuerbescheide offen gehalten werden müssen. Nach dem BMF-Schreiben vom 15. November 2012 ist dieses ausdrücklich nicht mehr nötig, denn die Bescheide werden von Amts wegen offen gehalten.

 

Angesichts der laufenden Entwicklung wurden die Passagen des Jahressteuergesetzes 2013 wieder eliminiert, mit der die Finanzverwaltung eigentlich Auswüchse aus den Gestaltungsmodellen angreifen wollte.

Hier könnte eine Rolle gespielt haben, dass das Jahressteuergesetz 2013 vom Bundespräsidenten zu unterschreiben ist, um es wirksam werden zu lassen. Dieser hätte möglicherweise gezögert, Änderungen eines verfassungswidrigen Gesetzes mit seiner Unterschrift zu versehen. Um das Jahressteuergesetz 2013 insgesamt nicht zu gefährden, war die Herausnahme dieser Änderungen für die Finanzverwaltung jedenfalls der sicherste Weg, die anderen Vorschriften Gesetz werden zu lassen.

 

Hinsichtlich des Zeitablaufes rechnen nun Optimisten mit einer Laufzeit von etwa drei Jahren, bis das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung kommt. Hinsichtlich dieser Entscheidung gibt es verschiedene Szenarien, die man durchdenken könnte.

 

Eine mögliche Entscheidung wäre, dass das Erbschaftsteuergesetz von Anfang an verfassungswidrig war und dass deshalb alle Bescheide, die darauf beruhen, rechtswidrig und nichtig sind und waren. Aus Haushaltsgründen gehen wir jedoch nicht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht trotz einer Verfassungswidrigkeit das Erbschaftsteuergesetz rückwirkend für nichtig erklärt.

 

Ob allerdings das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber einfach nur erneut zu einer Abfassung eines verfassungsgemäßen Erbschaftsteuergesetzes auffordert, könnte ebenso fraglich sein. Dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber schon 2006 nicht nachgekommen.

 

Aus Kreisen des Ministeriums ist zu hören, dass an einer neuen Vorlage zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes gearbeitet wird. Man wolle insbesondere die vom Bundesfinanzhof monierten Gestaltungsmöglichkeiten zielgenau eliminieren. Politisch durchsetzbar ist eine solche Änderung des Erbschaftsteuergesetzes möglicherweise erst nach der Bundestagswahl im Herbst 2013.

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